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© Gereon Krebber

50. Jahresausstellung Bottroper Künstler:innen

23. November 2025 bis 11. Januar 2026

Alle in Bottrop geborenen, ansässigen oder arbeitenden Künstlerinnen und Künstler haben einmal im Jahr die Gelegenheit, ihre Werke im Museumszentrum Quadrat zu präsentieren. Die Auswahl erfolgt durch eine Jury – zusammengesetzt aus Vertreter:innen der Stadt, Künstler:innen sowie Kunsthistoriker:innen.

Einzelpräsentation im Rahmen der Jahresausstellung

Gereon Krebber. Ins Grüne

Der Bildhauer Gereon Krebber (*1973) ist nach 2005 zum zweiten Mal mit einer Einzelpräsentation im Rahmen der Jahresausstellung Bottroper Künstler_innen im Museumszentrum Quadrat vertreten. Nach der Ausstellung „Kringel“ (2005), zeigt er unter dem Titel „Ins Grüne“ neue Arbeiten und mischt diese mit älteren Arbeiten, die aber zum Teil neu gegossen worden sind, um neue Situationen für den gegebenen Ort zu schaffen. 

Die Jahresausstellung, seit Gründung des Museumszentrums 1976 fester Bestandteil im Ausstellungskalender, jährt sich 2025 zum 50. Mal. Die Jury nahm dies zum Anlass, den renommierten Künstler mit seinem unerschöpflichen Formenrepertoire ein weiteres Mal einzuladen.

Gereon Krebber, What if we were wrong #1, 2024, Stahl, Farbe, Beton, Polyurethan, Bronze, Stoff, H: 210 cm; Courtesy alexander levy, Berlin© Gereon Krebber

Der inzwischen international bekannte Bildhauer Gereon Krebber ist seit 2012 Professor für Bildhauerei im Orientierungsbereich der Kunstakademie Düsseldorf. Dort studierte er selbst zwischen 1994 bis 2000 bei den Professor_innen Luise Kimme, Tony Cragg und Hubert Kiecol, bevor er von 2000 bis 2002 das Royal College of Art, London, besuchte, und mit dem MA Fine Art Sculpture abschloss.
Diverse Preise und Stipendien zeigen, dass Gereon Krebber mit seiner Kunst Anerkennung findet und Aufmerksamkeit erregt. Sein Werk trifft den Nerv der Zeit, greift die aktuellen Bedürfnisse, Wünsche und Themen unserer Gesellschaft auf. 2001 und 2007 wurde er mit dem Kunstpreis Junger Westen ausgezeichnet, 2009 mit dem Förderpreis des Landes Nordrhein-Westfalen und dem Wilhelm-Lehmbruck Stipendium. Daneben erhielt er zahlreiche Auszeichnungen bei Kunst am Bau-Wettbewerben, die es dem Bildhauer ermöglichten, sowohl temporär als auch dauerhaft mit seinem Werk auf Architektur und Umgebung zu reagieren. 2002 und 2003 erhielt er mehrere Preise in London, darunter den Jerwood Sculpture Prize. Zuletzt kann Krebber bei einem Arbeitsaufenthalt am European Ceramic Work Centre (NL) sein Wissen über und seine Fähigkeiten mit dem Material Ton verfeinern. Er realisiert seit dieser Zeit wieder verstärkt keramische Arbeiten. Der Ton als Urmaterial plastischen Arbeitens fasziniert ihn seit Beginn seines Studiums.
Der Kulturpreisträger der Stadt Bottrop (2007) ist seit 2004 mit seinen Werken bei der Jahresausstellung vertreten. Doch schon vor seiner ersten Beteiligung erregte er im selben Jahr Aufsehen mit seinem Ausstellungsbeitrag zum 25-jährigen Bestehen des Künstlerbund Bottrop. Die Gelatinearbeit "Kreis" mit einem Durchmesser von sechs Metern bedeckte den Boden der Modernen Galerie. Seit dieser Zeit fanden aktuelle Werke aus allen erdenklichen Werkstoffen in jedem Jahr ihren Weg ins Quadrat. Zuletzt waren es keramische Arbeiten wie „Smavos“, „Dupper Boxen“ oder bereits 2022 eine Keramik aus der Serie „Derelikt“, die er mit heller Freude in Sichtachse zu dem soeben eröffneten Neubau platzierte und humorvoll mit den Worten "einstürzende Neubauten" kommentierte. Humor und Wortwitz begleiten das Œuvre Krebbers, die Titel und Wortschöpfungen sind elementarer Bestandteil seiner Kunst, wesentlich für den Dialog mit seinem Publikum. Niemals sind diese Titel eindeutig. „Es sind Fingerzeige und Fragezeichen, Fußangeln und Spielbälle – genauso wie die Skulpturen selbst“, so Krebber.

Mit „Ins Grüne“ ist Gereon Krebber der erste Künstler, der in der jetzt fünfzigjährigen Geschichte der Jahresausstellung, zwei Orte parallel bespielt. Es ist einerseits die dem Ort der Einzelausstellung zugedachte Studio-Galerie. Ein niedriger Raum im unteren Geschoss der Moderne Galerie, in den wenig Licht fällt. Andererseits sucht er die Weite des Vorplatzes und die von fünf Skulpturen der Museumssammlung, die sich bereits in unmittelbarer Nähe des Eingangsbereichs befinden.
Zwei Orte – innen und außen – wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Aus beiden schafft Krebber neue Situationen, trennt sie strikt und verbindet sie gleichzeitig. So sind seine Arbeiten oft monumental, immer eigenständig, gar autonom; eine jede steht für sich und ihre Gestalt ist vereinfacht. Ein Kontext entwickelt sich erst aus dem Zusammenspiel mit der Umgebung. Hierbei kommt der eigenen Wahrnehmung und der Erfahrung der Betrachtenden eine entscheidende Rolle zu. Ein assoziativer Prozess wird in Gang gesetzt und erschafft neue Erlebnisse.
In der Studio-Galerie sind vier Stahlgestelle zu sehen, die wie Regale wirken. In den Regalen hängen jeweils Bronzen. Der Ort wirkt verlassen, die Regale dearrangiert. Es entsteht unweigerlich eine fiktive und etwas surreale Keller- oder Lagersituation. Die Struktur der niedrigen Kassettendecke wird durch die Regalskulpturen aus massiven Vierkantrohren weitergeführt. Die Stabilität und Schwere der Skulptur sowie ihre Funktion werden durch die vielen Durchblicke und die Leere des Raums in Frage gestellt. An den Wänden hinter den Regalen kommen drei winzige Keramiken zum Vorschein. Eine kleine, hängende Metallskulptur unterstreicht den Gegensatz von klein und groß. Sie leitet über in den zweiten Teil der Galerie.
An die Trennwand gelehnt sind mehrere unterschiedlich geformte längliche Stäbe. Ihre aufwendig bearbeitete Oberfläche ist dunkel und edel schimmernd, spielt mit Farbe und Licht. Sie gibt weder das Material noch die Bestimmung preis. Das archaische Holz wurde mehrfach lackiert und gewachst, dass ihre Textur an modernste Konsumartikel der digitalen Welt erinnert. Der Titel "Jigsticks" – Angelruten spielt mit der unterschwelligen Kritik Krebbers am Konsum.
Den Bogen nach außen schlägt jedoch eine im Durchmesser rund 60 Zentimeter hohe Keramik. Am Boden, eingerückt zu einem der Regale, steht ein „Plöppie“. Besuchende werden das merkwürdige Gebilde in mannigfacher Anzahl schon vor dem Museum wahrgenommen haben.
Endlich sind wir im Grünen. Auf dem Vorplatz breiten sich die Skulpturen des Bildhauers wie eine begehbare Collage aus unterschiedlichen Materialien, Formaten, Formen und Oberflächen aus. Formal setzt Gereon Krebber vor dem Museum den organisch gerundeten Formen auf der einen Seite, geometrisch-konstruktives Hard Edge auf der anderen Seite gegenüber. Die zunächst klassischen Gestaltungsvarianten der abstrakten Moderne erfahren in der Umsetzung gerne den ein oder anderen Bruch, sei es in der Form, sei es bei der Oberflächenbehandlung.
Drei Werke des Künstlers reagieren direkt auf Skulpturen aus der Museumssammlung. Zweimal betont die kurze Distanz die Situationen eindrücklich. Bei der Bronze „Superduper“ und Marcello Morandinis „Nr. 205 - Hommage an Bottrop“ ist es eine Blickachse, die den Vorplatz annähernd diagonal kreuzt. Doch neben den offensichtlichen Bezügen halten diese drei Plastiken noch eine Menge Ambivalenzen und Verwirrspiele für die Betrachtenden bereit. Die „Plöppies“ rund um die „Zwei gegeneinander verschobenen Halbkugeln“ von Ernst Hermanns wirken wie achtlos hingeworfene Bälle oder Kugeln. Und ja, Plopper ist ein Ballspiel für Kinder, auch gibt es Plopper, denen auf Knopfdruck eine Tierfigur entspringt. Doch welches Kind kann mit diesen Bällen spielen? Es müssten Riesen aus der Welt von Gulliver sein. Eine Verschiebung von Größenverhältnissen setzt ein. „Chunkie“ und die Skulptur von Erwin Heerich werden zu Bauklötzen, Marcello Morandinis Skulptur zu einem Reifen und auch die bisher außer Acht gelassene „Puppe“ als größte Plastik der Ausstellung hat auf einmal einen Bezug. Dies nur ein Beispiel von Wahrnehmung und ob sie an Kindheit erinnert oder bedrohlich wirkt, bleibt offen. Die Oberflächen der „Plöppies“, „Puppe“ oder „Chunkie“ lassen unzählige weitere Assoziationen zu.
Die Themen Architektur, Natur und Zerstörung, auf die der Bildhauer immer wieder in seinem Werk verweist, bilden eine Gruppe direkt vor dem Gebäude. „Superduper“ spiegelt die große Fensterfront, „Derelikt“ die strenge Geometrie der Architektur und die Kassettendecke wird bis auf den Treppenabsatz weitergeführt. Der Titel und der Krater im Inneren weisen konträr auf Zerstörung hin. Je nach Wahrnehmung unterstützt oder negiert die aufwendige Glasur der Keramik dies. Die amorphe schwarze Plastik mit dem vieldeutigen Titel „Die Party ist vorbei“ regt zum Nachdenken über die Umweltzerstörung durch uns Menschen an. Schlägt den Bogen zurück ins Museum und auf das Werk „Asphalt Lump“ in der aktuellen Ausstellung von Robert Smithson. 

Gereon Krebber erzeugt mit seinen abstrakten Plastiken, Formen und Oberflächen beim Publikum Bildlichkeit. Assoziationen werden hervorgerufen, eingefahrene Sehgewohnheiten aufgebrochen. Als Künstler ziehen ihn Gegensätze an. Er setzt mit seinen Werken Kontraste, die er wiederum vereint; er setzt Kontrapunkte, die er verstärkt. Die Wahrnehmung entsteht in den Augen des Betrachtenden. Krebber gibt die Spielräume; die Welt ist niemals gut oder böse, sie ist immer alles zugleich. Sein Werk wird zu keiner Zeit langweilig für den, der es annimmt.